Vollkommene Einheit von Programm, Gesang und Orgel
Bewegt nehmen Konrad Heimbeck und Anne Horsch (beide mit Blumen) und der Kammerchor den Applaus entgegen.FOTO JANKA
Kammerchor Rosenheim tritt mit „Abendmusik in der Fastenzeit“ in der Nikolauskirche in Rosenheim auf
Rosenheim – Schon immer haben Konrad Heimbeck und sein Kammerchor mit konzeptionell geschlossenen und liturgisch passenden Chorkonzerten erfreut. Die „Abendmusik in der Fastenzeit“ in der fast ganz gefüllten Nikolauskirche übertraf aber alle Erwartungen in Konzeption und vor allem Stimmigkeit. Vollkommen war die Einheit von Programm, Gesang und Orgel, deren Klangschönheiten Anne Horsch aufzeigte, und tiefsinnig war die Stimmung. Wild bewegt legte die Organistin gleich zu Beginn los mit Bachs Präludium und Fuge in e-Moll mit einem mächtigen Orgelpunkt, einem in zahlreichen Sequenzen in die Tiefe steigenden Bass und der motorisch erregten Fuge, in der die Anfangserregung noch nachzitterte. Große majestätisch-leidvolle Ruhe herrschte dafür in dem harmonisch überreichen und äußerst reizvoll registrierten Choralvorspiel über das Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Brahms. Davor hatte der Chor Brahms‘ Motette „Schaffe in mir, Gott“ gesungen, ganz weich und rhythmisch schwingend, sicher und transparent, die Brahms’sche Chromatik herbsüß aufleuchten lassend und freudig beschwingt in der Fuge, die den „freudigen Geist“ besingt.
Warmsatte Chorwucht herrschte sodann in der Motette „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ von Mendelssohn Bartholdy, die Sänger und Sängerinnen badeten sich geradezu in den Septim-Akkorden, ließen zwischendurch die Harmonien klagend heulen, am Ende sich in Glaubensgewissheit auflichten und schließlich ins Wohligweiche enden. Für jedes Stück hatte die Organistin die passende Registratur, so auch für die „Variations sur un thème de Clément Janequin“ von Jehan Alain (1911-1940), die zwischen Archaisierung und Modernität schillern.
Mit scharf-herber Chromatik malt Hugo Distler (1908-1942) in seiner Motette „Fürwahr, er trug unsere Krankheit“ den Schmerz über die Tötung Christi, der zum universalen Schmerz über alle Getöteten wird. Wie ermattet sinkt die Musik zuerst in chromatischen Stufen nach unten, bis sie in der Chorfuge fleht und weint und schließlich in einen tränenblinden lieblichen Choral mündet: Großartig ließ Konrad Heimbeck diese musikalische Architektonik aufleuchten. Und weiter leuchteten die Chor-Harmonien (hier ein bisschen gefährdet) im „Adoramus te“ von Mikołai Zielenski (1550-1616), weiter dann mystisch glühend bis geradezu gleißend und am Ende schimmernd verschwimmend in „Ave verum“ von Javier Busto (*1949). Nichts als reine Intervalle, damit reinste musikalische Meditation, zeigt „Pari intervallo“ von Arvo Pärt (*1935), das auf zwei parallelartigen Stimmen basiert, denen die anderen wiegenliedartig folgen, von Anne Horsch in bezwingender Ruhe gespielt. Und ebenso bezwingend, am Ende fast hysterisch aufgeheizt, schwebten die Klänge von Bruckners „Christus factus est“ durchs Kirchenschiff: einfach überirdisch schön. Mit der wiederholten freudigen Geist-Fuge bedankte sich der Kammerchor für den langen, herzlichen Applaus. RAINER W. JANKA