25.11.2017 in paradisum
Ein Requiem ohne Höllenfurcht
Marita Hörberg (links) führt mit schmelzendem Geigenklang den Kammerchor Rosenheim zu emphatischen Sanctus-Rufen. janka© OVB
Rosenheim – Der Kammerchor Rosenheim unter seinem Gründer und Leiter Konrad Heimbeck präsentierte sich in der gut besuchten Nikolauskirche mit einem ganz auf den Totenmonat November abgestimmten Programm mit dem Requiem von Gabriel Fauré als Hauptwerk.
Davor aber kamen drei besinnliche Motetten: In „Unser Leben ist ein Schatten“ von Johann Bach (1604 bis 1673), einem Großonkel des berühmten Bachs, flattern die Seelen nach dem Tode in Sechzehnteln nach oben weg, tiefe Stimmen verdunkeln den Klang, ein verborgener Chor (Luitgard Hamberger, Richard Eschlbeck, Martin Hörberg) ohne die helle Sopranstimme singt von der Seite, der Choral „Ach, wie flüchtig“ wirkt wie eine feste Bestätigung der Vergänglichkeit, vom Chor wird darin deutlich konstatiert, dass wirklich „alles, alles“ vergehen muss, und am Ende steht das „davon“ im Davonmüssen ganz alleine und verlassen da. Schlicht-beredt gestaltete der Chor diese Motette.
Wie geschaffen für die hallige Akustik
Mystisch schimmernd in klingenden Dissonanzen und klar fließend war „O nata lux“ von Morten Lauridsen (geboren 1943) wie geschaffen für die extrem hallige Akustik der Rosenheimer Nikolauskirche. Langsam und bedeutungsschwer fragte der Chor „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen“ in der Motette von Johannes Brahms (1833 bis 1897), das zweite „Warum?“ war fast resignativ ersterbend, die achtmal wiederholte Frage kam mit immer neuer Frage-Energie. Klar gezeichnete Gesangslinien brachten Licht in die herbe Chromatik. Heimbeck nahm die „Adagio“-Vorschrift am Ende so wörtlich, dass der Text („Der Tod ist mir Schlaf worden“) wie ein Ausrufezeichen wirkte.
Das Requiem von Gabriel Fauré (1845 bis 1924) ist besonders, weil es auf die Schreckens-Elemente der Visionen vom Jüngsten Gericht, also auf fast das gesamte „Dies irae“, verzichtet, damit auch auf die Höllenfurcht. So ergibt sich ein eher lyrisch-meditativer, ja tröstlicher Charakter. Heimbeck hatte die frühere Version gewählt in der Besetzung nur mit Bratschen, Celli, zwei Hörnern, Harfe und Orgel. Die Hörner klingen dabei bisweilen wie Mini-Gerichts-Posaunen, also nicht furchterregend. Der Bratschenklang war warm, tiefdunkel und anheimelnd. Dazu kommt im Sanctus eine Solovioline, hier war es Marita Hörberg, die mit ihrem schmelzenden Klang in ein beseligtes Entrücktsein führte, während im Hosianna die Harfe die Engelschöre symbolisiert und der Chor in sich emphatisch überbietenden Anrufen Gott huldigt.
Schlicht und gebethaft fließend und mit locker erreichter Höhe sang Ursula Preißler die „Pie-Jesu“-Arie, mit klar gezogener Gesangslinie und dann flehentlicher Martin Hörberg seine beiden Arien. Keusch, zart und rein, bisweilen mönchisch rein war der Chorklang, einfach schön waren die Wechselgesänge des Chorbasses mit den Hörnern oder von Alt und Tenor und geradezu paradiesisch schön der Schlusssatz „In paradisum“ mit den hingetupften Orgelsechzehnteln (an der Orgel: Andreas Schuch) und der anmutigen Melodiosität. Die Bitte, dass die Engel die Seele ins Paradies geleiten mögen, wo Engelschöre sie empfangen werden, wurde im seligschönen Gesang des Chores zur Gewissheit. (rwj)
ovb 27.11.2017