25.09.2010

Die Schöpfung

Konzertkritik aus OVB vom 29.9.2010, mit freundlicher Genehmigung des OVB

Eine festliche Schöpfung

In Haydns „Schöpfung“ besingt der Erzengel Gabriel den von Gott geschaffenen irdischen Blumengarten: „Nun beut die Flur das frische Grün dem Auge zur Ergötzung dar; den anmutsvollen Blick erhöht der Blumen sanfter Schmuck. Hier duften Kräuter Balsam aus, die Zweige krümmt der goldnen Früchte Last, hier wölbt der Hain zum kühlen Schirme sich.“ Was für ein schön erhebender Text zur Rosenheimer Landesgartenschau! Und was für eine passende Idee, dies musikalische Loblied auf die Schöpfung in ökumenischer Einheit von drei Rosenheimer Kirchenchören während dieser Gartenschau singen zu lassen, nämlich vom katholischen Kammerchor Rosenheim, von der evangelischen Kantorei und der evangelischen Feelharmonie, wobei der katholische Kirchenmusiker Konrad Heimbeck von der Nikolauskirche dirigierte und der evangelische Kantor Bernhard Krikkay von der Erlöserkirche dienend am Cembalo saß! Es war, in der sehr gut gefüllten Nikolauskirche, ein durchaus festliches, feierliches und erhebendes Konzert, eine wirkliche Landesgartenschau- Feierstunde, die die Zuhörer in fast weihevoller Stimmung nach Hause gehen ließ.

Der chorische Anfang war noch zögernd, die Wirkung der C- Dur- Licht- Explosion etwas verschenkt, die theologische Durchdringung (so die Betonung der neuen Welt) nicht hörbar. Doch die vereinigten Chöre waren gut präpariert und sangen sich richtiggehend in Stimmung, sodass die großen Jubelchöre – der Chor darf hier ja eigentlich nichts als jubeln – immer größeren leidenschaftlichen Schwung und mitreißende Freude entwickelten bis hin zu den kontrapunktisch virtuosen Schlusschören.

Das gut besetzte – namenlose – Orchester spielte alle von Haydn so liebevoll komponierten illustrierenden Feinheiten aus. Konrad Heimbeck dirigierte großzügig- plakativ und freskohaft, stellte diese Feinheiten nicht extra heraus, verzichtete auf Schärfung und Zuspitzung des Orchesterklangs – was wohl auch nur bei längerer Probenzeit möglich gewesen wäre. So waren die Geigen nicht immer reintönig, dafür brillierten vor allem die Flöten und die Klarinette. Der auskomponierte Urknall und das daraus entstandene „Chaos“ war plastisch musiziert, der Sonnenaufgang in Nr.12 funktionierte, nach anfänglichen Rucklern, anschaulich.

Die bildhafteste Erzählung der Erschöpfung hat Haydn den drei Solisten anvertraut, von denen vor allem der Tenor Robert Wörle diese Gelegenheit weidlich nützte: In prachtvoll- ausladender Menschlichkeit thronte er am Lektorenpult und besang mit metallen- hellstrahlendem Tenor, reichhaltiger Mimik, theatralischer Dramatik und freudiger Emphase das Licht, die Sonne und den Mond, ja, er gewann seiner Stimme sogar ein ironisches Funkeln ab, als er die Rolle der Frau als holde und anmutsvolle Gefährtin des Mannes besingen musste. Geradezu demonstrativ andächtig und, zu Beginn, geradezu furchtzitternd demütig agierte der Bariton Thomas Hamberger, erschuf bedachtsam sprachlich- singend die Welt und entwickelte erst später mehr dramatische Anteilnahme, setzte aber immer mehr auf strömende Schönheit der Stimme als auf Dramatik – was die so hallige Akustik der Nikolauskirche aber fast immer fordert. Auch die Sopranistin Priska Eser verzichtete auf Konsonantenknallen, legte aber Freude und Staunen in ihren geschmeidigen Sopran, zauberte liebevoll das verliebte Taubengegirre nach und bot schmunzelnde Ironie im Duett als Eva mit Adam, den der eheerfahrene Hamberger dann doch ebenso schmunzelnd ausspielte.

Am Schluss singt der Tenor: „O glücklich Paar – und glücklich immerfort, wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen, als ihr habt, und mehr zu wissen, als ihr sollt!“ Dies bedenkend und doch glücklich erhoben ging man in den herbstlichen Abend hinaus.

Rainer W. Janka