04.04.2012

PASSIONS-KONZERT Nikolauskirche Rosenheim

MITTWOCH, 4.4.2012, 20 UHR

Dietrich BUXTEHUDE1637-1707 Präludium g-mollBuxWv 149
Rihards DUBRA*1964 Ubi caritas
Peter KOLMAN*1937 Interludium
Knut NYSTEDT*1915 Die Sieben Worte Jesu am Kreuzop. 171

für gemischten Chor SATB

Giovanni Pierluigida PALESTRINA

~1525-1594

O crux ave
Joh. Sebastian BACH1685-1750 O Lamm Gottes unschuldigBWV 656
Franz LACHNER1803-1890 Stabat Mater op. 154für Doppelchor
Joh. Sebastian BACH Fantasie g-mollBWV 542
John STAINER1840-1901 God so Loved the World

URSULA PREISSLER – SOPRAN

LUITGARD HAMBERGER – ALT

RICHARD ESCHLBECK – TENOR

MARTIN HÖRBERG – BASS

 

CARMEN JAUCH – ORGEL

LEITUNG: KONRAD HEIMBECK

Konzertkritik
Herbsüße Harmonien
Passionszeit ist „Stabat-mater“-Zeit. Natürlich ist Pergolesis Vertonung dieses Marien-Hymnus‘ die bekannteste, bei Weitem aber nicht die einzige: Allein 26 Vertonungen führt „Reclams Führer zur lateinischen Kirchenmusik“ auf-die von Franz Lachner ist nicht darunter. Bis Richard Wagner kam, prägte er das musikalische Leben Münchens. Dem Spürsinn Konrad Heimbecks ist es zu verdanken, dass dieses musikalisch großartige „Stabat mater“ in Rosenheim zu hören war.
Harmonisch hochexpressiv, schon auf Bruckner vorausweisend, mit weitausgreifender und – ausschweifender Melodik, großem Ambitus der melodischen Phrasen und dramatisch eingesetzter Doppelchörigkeit malt es die Passionsstimmung nach, indem nicht unbedingt einzelne Wörter vertont werden, sondern die Grundstimmung musikalisch ausgedrückt wird. Besonders hervorgehoben wird nur das Aushauchen von Christi Geist: „emisit spiritum“. Stoßweise verlässt ihn der Lebensgeist hier auch musikalisch, erstirbt fast die Musik. Eingestreut sind einige Solostellen, vor allem, wenn Maria direkt angesprochen wird, vom bewährten Solistenquartett (Ursula Preißler, Luitgard Hamberger, Richard Eschlbeck, Martin Hörberg) durchaus expressiv und
intensiv gesungen. Konrad Heimbeck hatte seinen Rosenheimer Kammerchor gut daraufhin einstudiert, nur manchmal schlichen sich die Sopräne etwas in ihre Einsätze hinein. Die Expressivität kostete Heimbeck nicht bis zum letzten aus, eher bevorzugte er den allgemein mitleidenden Grundduktus. Schön aber füllten die vielen Dominantseptimakkorde den weiten
halligen Kirchenraum von St. Nikolaus.

Das zweite Hauptwerk dieses reinen A-cappella-Konzertes waren „Die Sieben Worte Jesu am Kreuz“ des dänischen Komponisten Knut Nystedt (geboren 1915). Hier sind nicht nur die Worte Jesu, sondern auch der erzählerische Konzext vertont. Die Christus-Worte sind, je nach Inhalt, dringlich bittend, ruhig gelassen, prophetisch aufmunternd (zum reuigen Schächer), leidend („Mich dürstet!“), glaubenssicher oder vertrauensvoll rufend. Der Kammerchor sang diese Worte anteilnehmend-ausdrucksstark und zeigte sich sicher in den modernen Harmonien beziehungsweise Disharmonien. Ein starker Eindruck war es, dass diese sieben Worte unmerklich in das „O crux ave“ von Palestrina übergingen – was zunächst nicht gleich bemerkbar wurde. Bemerkbar wurde aber, wie Nystedt in der A-cappella-Chor-Tradition wurzelt. Diese Palestrina-Motette floss ruhig und seelenvoll dahin – als ob sie für die Nikolauskirche komponiert wäre. Auch die einleitende Motette „Ubi caritas“ von Rihard Dubra (geboren 1964) schwebte in herbsüßen Harmonien, vom Chor gefühlvoll interpretiert.

Gegliedert wurde das A-cappella-Konzert durch Orgelwerke, die Carmen Jauch mit immer klarer Disposition spielte. Schön setzte sie in Buxtehudes Präludium und Fuge g-Moll die glänzenden, glitzernden und geradezu aufschäumenden Präludiums- gegen die sorgfältig entfalteten Fugenteile, klar gegliedert war auch die Bach’sche Fantasie g-Moll BWV 542. Von dieser schien das interessanteste Orgelstück inspiriert, das „Interludium“ von Peter Kolmann (geboren 1937). Heftig hinabstürzende und in sich wirbelnde Tonskalen wechseln sich hier ab mit hartnäckig dissonanten, metallisch harten oder ätherisch gläsernen akkordisch geprägten Teilen. Ganz plötzlich endet dieses bestürzende und aufrührende Werk.

Ganz innig, wie mit einem tröstlichen Abendsegen, endete das Konzert chorisch, mit „God So Loved This World“ von John Stainer (1840 bis 1901), vom Kammerchor ebenso tröstlich-innig gesungen. Die zahlreichen Liebhaber der A-cappella-Musik spendeten herzlichen Beifall.

Rainer W. Janka