14.10.2012

NEUE GEISTLICHE MUSIK

14.10.2012, Nikolauskirche Rosenheim

Kammerchor Rosenheim mit
VALENTIN PREISSLER – SAXOPHON
JOSEF REßLE – KLAVIER
TIZIAN JOST – VIBRAPHON
THOMAS HAUSER – BASS

Musik wie Regen und Tee

Kammerchor Rosenheim singt „Neue geistliche Musik“

VON RAINER W. JANKA

„Neue geistliche Musik“ versprach der Kammerchor Rosenheim in seinem Konzert in der heimischen Nikolauskirche. Ab wann ist Musik „neu“? Ist „neu“ gleich „modern“? Ab wann ist modern „modern“? Der älteste Komponist im Programm, Eric Satie, ist 1866 geboren, der jüngste, Valentin Preissler, im Jahre 1988. Aber modern im Sinne von ungewohnt, befremdend, neue Wege beschreitend, vielleicht sogar revolutionär und avantgardistisch war keines der Musikstücke. Wahrscheinlich ganz im Sinne der doch recht zahlreichen Zuhörer. Angst vor ohrenverletzenden Klängen musste niemand haben. Das Modernste war wahrscheinlich die bloße Kombination von geistlicher Chormusik und Jazz.

Das Jazzensemble, bestehend aus Valentin Preissler, Saxofon, Josef Reßle, Klavier, Tizian Jost, Vibrafon, und Thomas Hauser am Bass, spielte vier Stücke allein: „Gnosienne Nr.l“ von Eric Satie, einen Hirtenpsalm von Oskar Lindberg (1887 bis 1955) sowie zwei Stücke von Valentin Preissler.

Seit John Garbarek ist auch das Saxofon in der Kirche heimisch geworden. Hier füllte das Saxofon die ganze Kirche, hallte hin und wieder zurück und produzierte Klänge, die sich weit im Raum verbreiteten und sich einen eigenen Raum schufen, Raum zum Hören, Meditieren, Träumen, zum Hin- und In-sich-Hineinlauschen. Im Hirtenpsalm mischte das Vibrafon etwas Glockentöniges, Gläsern-Fragiles dazu, in den Preissler-Stücken machte sich der produktiv-unruhige Bass thematisch, nicht nur harmonisch bemerkbar: Insgesamt war es meditativ-ruhige und irgendwie tröstliche Musik, wie leiser Landregen. Es hätte nur noch ein Schlagzeug-Besen gefehlt.

Nur einmal, ganz am Schluss, kamen Jazzer und Sänger zusammen, in den „Seligpreisungen“ des 1967 geborenen Thomas Gabriel. Das war nun endgültig harmonisch-melodische, leicht poppige Kuschelmusik, Musik wie eine wärmende Tasse Tee. Modern? Nur der Jahreszahl nach. Wie auch „Cantemus“ und „Alleluja“ der 1963 geborenen Ilze Arne. Die Kammerchor-Sänger genossen diese Wohlfühlmusik, die Klänge schmiegten sich wohlig in die hallige Akustik.

Mehr Substanz hatten die Stücke von Günter Bialas und Frank Martin. Bialas’„Preisung I“ aus dem Oratorium „Im An-fang“ versucht die Schöpfung der Erde mu-sikalisch nachzumalen: Über ein bisschen kreativem Stimmchaos schwebten Echostimmen, alles schien klanglich wie aus dem gesungenen Text herauszuwachsen. Die Messe für zwei vierstimmige Chöre von Martin öffnet ätherisch verklärte Klangräume, schafft durch Kirchentonarten und Pentatonik eine natürlich sakrale Atmosphäre, spürt empathisch dem Wortrhythmus nach.

Konrad Heimbeck bringt seine Sänger da-zu, die innere Bewegtheit und die spirituelle Tiefe singend mitzuerleben und mitzuteilen. Das „Et incarnatus“ im Credo erklingt in großer mystischer Ruhe, die Tenöre brechen darauf in erregte „Crucifixus“-Rufe aus, bis die Auferstehung im „Resurrexit“ sich freudig Bahn bricht. Das ist große neue geistliche Musik – und schon 1922 komponiert.

Nachdem ein übereifriger Claqueur fast alles zerklatscht hätte, dann aber Ruhe gegeben hatte, applaudierten die Zuhörer am Ende herzlich-kräftig beiden, dem Chor und dem Jazz-Ensemble.

Ilze ARNE

* 1953

– Cantemus

– Alleluja

Eric SATIE

1866-1925

Gnossienne Nr. 1 (1890)
Günter BIALAS

1907-1995

Preisung I

aus „Im Anfang – Schöpfungsgeschichte

nachMartin Buber (1961)

für drei Echostimmen, Chor

und Orchester

Oskar LINDBERG

1887-1955

Gammal fäbodpsalm från Dalarna

(Alter Hirtenpsalm aus Dalarna)

Frank MARTIN

1890-1974

Messe für zwei vierstimmige Chöre 1922

– Kyrie

– Gloria

Valentin PREISSLER

* 1988

Parks
Frank MARTIN – Credo
Valentin PREISSLER Gynth
Thomas GABRIEL

* 1957

Die Seligpreisungen